"It's all about people"
Dezember 2019 - Rolf Frey, Präsident des Zürcher Segelclubs, spricht im Interview mit dem ZSV offen über die Bedeutung des Women’s Cups, wie wichtig Flexibilität in einem Segelclub ist und man es schafft, neue junge Mitglieder anzuziehen.
ZSV: Lieber Rolf, herzlichen Dank, dass du dir Zeit für ein Interview nimmst!
Rolf Frey: Sehr gerne, danke für die Einladung!
Der Women’s Cup wurde vor diesem Jahr erst einmal ausgetragen. Wie kam es dazu, dass ausgerechnet ihr den Cup dieses Jahr ausgetragen habt?
In der Schweiz gibt es ja die Swiss Sailing League Association, den Trägerverein der Liga. Aufgrund finanzieller Probleme der SSA hat man auf unseren Antrag an der Generalversammlung beschlossen, den Aufwand auf das absolute Minimum zu beschränken. Das Ziel war, klare Berechenbarkeit herzustellen und zukünftig möglichst kleine Risiken einzugehen. Folglich hat sich die SSA auf den Ligabetrieb konzentriert, ohne Youth und ohne Women. Wir als Zürcher Segelclub haben uns dann dazu entschlossen, den Women’s Cup auf unser Risiko auszutragen. Wir haben dann die Lizenzen dafür erhalten, dass einerseits der Name des Events «Swiss Sailing Women’s Cup» ist und andererseits die Gewinnerinnen für die Champions League qualifiziert sind. Ohne uns hätte es keinen Women’s Cup gegeben, was ich für eine Tragödie gehalten hätte. Das wäre ein falsches Zeichen gewesen, speziell auch in unserem Club, wo das Frauensegeln ja eine sehr hohe Priorität hat.
Hat das Frauensegeln durch den Women’s Cup nochmals an Priorität gewonnen?
Ich denke, nicht unbedingt an Priorität, aber an Dynamik. Das Frauensegeln ist genauso auf unserer Agenda wie zuvor auch schon, aber wir haben heute im Breitensport-Bereich reine Frauenmannschaften auf den J70. Klar, keine grossen Ambitionen, aber diese Teams segeln Langstrecken und Ähnliches. Diese Mannschaften beispielsweise haben sich unmittelbar nach dem Women’s Cup gebildet.
Euer Team um Steuerfrau Amrei Keller hat ja den Cup sogar gewonnen. Habt ihr aufgrund des Gewinns des Cups einen Mitgliederzulauf gespürt?
Es ist ja schwierig, das genau zu messen. Diese Frage stelle ich bisher im Aufnahmegespräch nicht – vielleicht müsste ich das verstärkt machen. Es hat aber sicher nicht geschadet. Frauensegeln hat bei uns seit Langem einen gewissen Stellenwert und das hilft zweifellos. Ich weiss nicht, was vorher war – der Zuwachs an Frauenmitgliedern vor dem Frauensegeln auf der Agenda, oder umgekehrt. Aber wahrscheinlich ist das ein Kreislauf. Wir nehmen aktuell mehr Frauen auf als Männer.
Wie ist denn aktuell der Frauenanteil im Verein?
Natürlich immer noch auf der Männerseite, das ist ja geschichtlich bedingt. Das ist bei uns wie in der Politik, der alte weisse Mann ist noch in der Mehrheit. Aber von den Neueintritten sind 55% Frauen, was erstaunlich ist. Und das passt natürlich zusammen, es befruchtet sich gegenseitig: Wenn Frauen kommen, finden sie eine Plattform und diese Plattform zieht wieder Frauen an. Dieser Zyklus verstärkt sich mit der Zeit.
Würdest du anderen Clubs empfehlen, auch in diese Richtung zu gehen?
Nein, denen würde ich empfehlen, etwas anderes zu machen. Kopieren ist immer ein «Seich». Also, der Women’s Cup muss von verschiedenen Clubs ausgetragen werden, das ist wichtig. Aber ein Verein ist heute nicht mehr das gleiche wie vor 20 Jahren. Heute muss man einen Verein eher ein wenig wie ein Unternehmen führen. Du musst dir ein Angebot ausdenken, um auf gewisse Art einzigartig zu sein. Wenn man es macht wie vor 20 Jahren, laufen dir die Leute weg.
Welche Angebote gibt es denn nun bei euch im Verein alles?
Es gibt ja, ähnlich wie im Fussball, den Ligabetrieb. Super League, Challenge League und Promotion League. Und wir segeln in der Super League. Für diese Truppe gibt es einen Selektionsausschuss, der auswählt, wer hier mitsegelt. Bei uns sind zwei ehemalige Olympiasegler, also sehr hohes Level. Bei den Frauen genau gleich. Das Level ist ein bisschen weniger hoch, aber auch da kann nicht jeder mitsegeln. Das ist kein «Leistungssport», aber alle, die hier segeln, sind ehemalige Leistungssportler. Der Erfolg dieser Liga ist, dass man immer noch auf relativ hohem Level segeln kann und dabei trotzdem Familie, Arbeit und ein «Leben daneben» haben kann.
Also - diese drei Wettbewerbe laufen über die gesamte Saison.
Es gibt eine Frühlingssession, der Sommer ist frei, da sind Champions League und Weltmeisterschaften usw., und dann im Herbst wieder.
Und daneben gibt es eben noch diese einzelnen Events wie den Women’s Cup…
…genau, der Women’s Cup ist ein Event. Wie viele solcher Events ein Club austragen will/kann, ist eine Frage des Aufwands. Wenn das Frauensegeln noch stärker kommt, könnte man sich ja vorstellen, den Women’s Cup ebenfalls auf zwei Veranstaltungen aufzuteilen. Das ist stark von der Nachfrage abhängig.
War die Nachfrage dieses Jahr gross?
Zweifellos. Ich habe den Eindruck, dass der Women’s Cup dem Zeitgeist entspricht. Frauenförderung ist ein grosses Thema. Ich glaube daran, dass dies unseren Club dynamischer und beweglicher macht, wenn man Frauen hat und diese auch in verantwortungsvollen Positionen einsetzt. Das fördern wir seit mehreren Jahren aktiv. Und da gibt es einige andere, die jetzt auch langsam nachziehen.
Glaubst du, dass dieses Erfolgsrezept auf andere Clubs «abfärbt»?
Wir konnten sicher mit dem Women’s Cup ein grosses Echo erzielen, das haben wir nicht allzu schlecht gemacht. Frauensegeln, wie gesagt, wird sicher verstärkt ein Thema. Ich denke, ein Club muss so aufgestellt sein, dass er solche Initiativen aufnehmen kann.
Also zählt nicht mal unbedingt das heutige Angebot eines Clubs, sondern auch nur schon die Bereitschaft, die Offenheit, die Flexibilität für Neues?
Genau. Es gibt sicher Clubs, die hier noch Nachholbedarf haben.
Wie erreicht man denn diese Flexibilität in einem Club?
It’s all about people. Ich denke, das ist heutzutage für Clubführungen entscheidend. Man sollte neue Wege gehen, die Jungen ranlassen, auch wenn es vielleicht anfangs schwerfällt, Aufgaben abzugeben. Meiner Meinung nach benötigt man Vorstandsmitglieder, die visionär denken und Neues bringen wollen. Und damit meine ich nicht, jedem Trend nachzurennen, aber ein insgesamt gutes Angebot für Mitglieder zusammenzustellen.
Und auch nahe dran sein bei den Jungen, um zu wissen, was die überhaupt wollen…
…Natürlich! In welche Richtung geht es? Was wollen die? Was lockt Mitglieder an und was schreckt sie ab? Wir haben den Grundsatz: Mach lieber weniger Jahre, aber gib dort Vollgas. Bring ein paar neue Sachen, und nach 5-6 Jahren dürfen sich die nächsten beweisen. Mit zunehmender Zeit in einem Vorstand kann die Tätigkeit zu reinem «Verwalten» verkommen.
Könnten Initiativen wie die Verstärkung der Kommunikation oder auch Präsenz auf Social Media der Schlüssel zum langfristigen Erfolg sein?
Natürlich, unbedingt. Und ich denke, das ist eine wichtige Botschaft, die der ZSV auch ausstrahlen sollte. Leute, die heute mit dem Segelsport noch nicht verbunden sind, muss man auch irgendwie erreichen. Mit einem Newsletter erreicht man die, die schon dabei sind. Das ist auch gut, keine Frage. Aber man muss sich überlegen, wie man an die rankommt, die heute dem Segelsport noch nicht frönen.
Also auch eine Imagefrage…
Ja, vielleicht ist das auch eine Message, die man gegen aussen tragen kann: Der Segelsport ist kein «Sport für Reiche», sondern für alle. Zu meiner Zeit sind die Kinder der Mitglieder einfach nachgerückt. Das ist längst nicht mehr so! Diese Kinder muss man heute abholen. Es ist eine Frage, wie man sich kommunikativ darstellt, aber auch, wie man sich als Verein und Verband aufstellt.
Interview: Moritz Stähelin, Dynamics Group